Auf dem 40. Sozialpolitischen Aschermittwoch des Bezirksverbands Oberbayern stand das Thema Künstliche Intelligenz (KI) in der Sozialwirtschaft im Fokus. Nicole Schley, Präsidentin des Bezirksverbands Oberbayern, hieß dazu Gäste aus Politik und Gesellschaft, Geschäftspartner*innen sowie Vertreter*innen von AWO-Gliederungen und Partnerverbänden in Ebersberg willkommen. Gastredner Prof. Helmut Kreidenweis von der Universität Eichstätt-Ingolstadt beleuchtete in seinem Vortrag die Chancen, Herausforderungen und Risiken, die der Einsatz von KI für die Sozialwirtschaft mit sich bringt.
In ihrer Eröffnungsrede hielt Nicole Schley fest, die Herausforderungen vor denen die Gesellschaft in der Sozialwirtschaft stehe, seien nach wie vor immens und vielschichtig – vor allem in den aktuellen politischen Zeiten. Sie bedauerte, dass soziale Dienstleistungen von Wohlfahrtsverbänden im politischen Diskurs weder vor noch nach der Bundestagswahl eine entscheidende Rolle gespielt hätten.
Zukunftsorientierte Traditionsveranstaltung
Neben Schley richteten Magdalena Föstl (Erste weitere Stellvertreterin des Landrats des Landkreises Ebersberg), Ulrich Proske (Erster Bürgermeister der Stadt Ebersberg ) sowie Ulrike Bittner (Geschäftsführerin des AWO Kreisverbands Ebersberg) Worte an die Anwesenden. Der gemeinsame Tenor: Der sozialpolitische Diskurs und ein gemeinsames, entschlossenes und zukunftsorientiertes Handeln seien heute wichtiger denn je.
Gespannt wurde im Anschluss der Vortrag von Gastredner Prof. Helmut Kreidenweis von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt erwartet. Er ging darin unter anderem auf die Fragestellungen ein: Wie kann KI in der Sozialwirtschaft genutzt werden? Und welche Risiken und ethischen Grenzen gibt es dabei? „Ich bin gewissermaßen ein Grenzgänger zwischen Technik und Mensch“, so Prof. Kreidenweis. In dieser Funktion bot er zu Beginn einen allgemeinen, definitorischen Einblick zum Thema KI: Als Teilgebiet der Informatik, befasst sich KI mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem maschinellen Lernen. Sie bedeutet die Fähigkeit einer Maschine, menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren.
Der Bedarf im sozialen Sektor ist immens
Fest stehe, so Prof. Kreidenweis, dass das Angebot sozialer Dienste dauerhaft nicht mehr ohne technikgestützte Hilfearrangements aufrecht erhalten werden könne. Denn die Schere zwischen Hilfebedarf und Personalkapazität in den sozialen Berufen gehe immer weiter auseinander. „Wir müssen uns verstärkt in technologische Entwicklungsprozesse einschalten, damit Technik und KI auch sozial gedacht werden“, so sein klarer Appell. Entwickelt werden solle nicht das, was technisch machbar, sondern was ethisch vertretbar und sinnvoll in Hilfearrangements integrierbar sei.
Bereitschaft und Nutzung liegen weit auseinander
Generell bestehe in der Branche eine enorme Bereitschaft zur Nutzung von KI. Das zeigen die Ergebnisse der Studie von Prof. Kreidenweis aus dem Jahr 2024. Sie zeigen jedoch auch, dass KI im Arbeitsalltag bisher nur wenig genutzt wird. Folglich ergibt sich eine große Lücke, die es sowohl von innen heraus als auch durch die finanzielle Unterstützung der Politik zu schließen gilt.
In diesem Zusammenhang betonte Prof. Kreidenweis, er wundere sich darüber, dass das Wissen um das enorme Entlastungspotenzial durch KI für Fachkräfte in der Pflege anscheinend noch nicht effektiv bis in die Politik vorgedrungen sei. Daher sei es auch die Aufgabe der Wohlfahrtsverbände aktiv Lobbyarbeit zu betreiben und Mittel einzufordern.
Entlastung in der Pflege
Doch wie kann KI Fachkräfte nun praktisch im Arbeitsalltag unterstützen und entlasten? Prof. Kreidenweis nannte hier die Möglichkeit der mobilen Dokumentation in natürlicher Sprache. Auch bei der Optimierung von Dienst- und Einsatzplänen und in den Bereichen Transport und Reinigung kann die Technologie helfen. Für Management und Verwaltung bietet KI die Möglichkeit, beim Personal- und Bewerbermanagement und im Rechnungswesen zu unterstützen – beispielsweise mittels Erstkontakt mit Bewerber*innen per Chatbots.
Die ethische Reflexion im Umgang mit KI sei ein ganz entscheidender Aspekt, so Prof. Kreidenweis. Vor allem in Berufen der Sozialwirtschaft, beispielsweise bei der Arbeit mit Menschen mit Behinderung oder Demenzkranken, sei dies ein wichtiger und komplexer Punkt. Er hob hervor, soziale Teilhabe heiße auch digitale Teilhabe und digitale Teilhabe heiße auch Teilhabe an Entwicklung und Nutzung KI-basierter Systeme.
Ins Tun kommen!
Abschließend betonte er, sei es wichtig, sich an KI im sozialen Sektor heranzutasten und sich zu trauen, die Nutzung anzugehen – auch wenn die Technologie noch nicht perfekt ist. „Die Öffentlichkeit muss sehen: Wir sind da dran“, so Prof. Kreidenweis.
Traditionell klang der Sozialpolitische Aschermittwoch abschließend bei einem gemeinsamen Fischessen aus, bevor sich die Vertreter*innen der AWO aus ganz Oberbayern zum Bezirksausschuss trafen. Fazit der Gäste: eine gelungene Veranstaltung in schönem Ambiente mit inspirierenden Einblicken in zukunftsweisende Technologien – die schnellstmöglich mit Unterstützung der Politik in die sozialen Berufe implementiert werden müssen.
Über Prof. Helmut Kreidenweis
Prof. Helmut Kreidenweis befasst sich seit vielen Jahren mit Informationstechnologie und ist Sozial- sowie Diplompädagoge. Er hat eine Professur und die Leitung der Arbeitsstelle für Sozialinformatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt inne. Zudem ist Prof. Kreidenweis Gründer und Vorstand des Fachverbandes für Informationstechnologie in der Sozialwirtschaft FINSOZ e.V.. Mit seiner eigenen Consultingfirma berät er soziale Organisationen rund um die Themen Digitalisierung und IT. Außerdem ist er Mitbegründer und Mitglied der Programmkommission der Kongressmesse ConSozial.
Link zur Studie „Künstliche Intelligenz in der Sozialwirtschaft“: Studie-KI-Sozialwirtschaft-2024.pdf
Bild 1: Nicole Schley, Präsidentin des Bezirksverbands Oberbayern, mit Gastredner Prof. Helmut Kreidenweis von der Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Bild 2: Prof. Helmut Kreidenweis referierte zum Thema „KI in der Sozialwirtschaft”.
Bild 3: Die Gäste stellten im Anschluss an den Vortrag Fragen an den Gastredner.
Bild 4: Bei einem gemeinsamen Fischessen klang die Traditionsveranstaltung im Alten Speicher in Ebersberg aus.
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